Der scheinbar empathische und humorvolle Chef
Wenn Charme zur Chef-Strategie wird
Sie lachen mit ihren Mitarbeitenden, zeigen sich verständnisvoll bei Problemen und schaffen eine scheinbar lockere, vertrauensvolle Atmosphäre: Chefs, die sich empathisch und humorvoll geben, wirken auf den ersten Blick wie Idealfiguren moderner Führung. Sie verstehen es, ein angenehmes Arbeitsklima zu schaffen, treten kollegial auf und vermitteln das Gefühl, auf Augenhöhe zu kommunizieren. Doch nicht selten verbirgt sich hinter dieser Fassade eine andere Realität – eine, in der Freundlichkeit gezielt eingesetzt wird, um Kontrolle auszuüben und eigene Interessen zu verfolgen.
Diese Führungskräfte beherrschen das Spiel mit Emotionen. Ihr Humor wirkt entwaffnend, ihre Empathie scheinbar aufrichtig – und doch dienen beides oft taktischen Zwecken. Sie schaffen Nähe, um Abhängigkeit zu erzeugen, Lob wird zum Mittel der Steuerung, und Offenheit endet dort, wo die Loyalität der Mitarbeitenden auf die Probe gestellt wird. Ihr Charme ist kein Ausdruck innerer Wärme, sondern Teil einer kalkulierten Strategie, mit der sie Macht sichern, Kritik entwaffnen und Widerstand im Keim ersticken.
Diese Form der „freundlichen Manipulation“ ist schwer zu durchschauen – gerade weil sie so angenehm daherkommt. Doch wer sie erkennt, sieht: Der sympathische Chef muss nicht zwangsläufig auch ein guter Mensch oder fairer Vorgesetzter sein. Vielmehr kann sich hinter der Maske der Nahbarkeit ein perfides Führungsprinzip verbergen, das subtiler und dadurch oft wirkungsvoller ist als autoritäres Verhalten.
Der „lockere“ Chef mit doppeltem Boden
Charmant, witzig, scheinbar fürsorglich – und doch zutiefst strategisch
Auf den ersten Blick scheint er das Idealbild eines modernen Vorgesetzten zu verkörpern: charismatisch, kommunikativ, aufgeschlossen. Der „lockere“ Chef ist der Typ Führungskraft, der mit Witz, Anekdoten und Nahbarkeit punktet. Er duzt seine Mitarbeitenden, spricht von Teamgeist, betont flache Hierarchien und lädt zu offenen Gesprächen ein. Seine Tür stehe immer offen, sagt er, und: „Dumme Fragen gibt’s bei mir nicht.“
Doch hinter dieser Fassade der Kollegialität verbirgt sich oft eine ganz andere Dynamik – eine, die schwer greifbar ist, weil sie so subtil wirkt. Die Freundlichkeit dieses Chef-Typs ist nicht immer Ausdruck von echter Empathie, sondern häufig Teil eines tief verankerten Machtkonzepts. Seine Lockerheit ist kalkuliert, sein Humor funktional, seine Offenheit selektiv.
- Äußere Erscheinung: Die Inszenierung der Nahbarkeit
Der „lockere“ Chef tritt als Verbündeter auf. Er spricht die Sprache des Teams, vermeidet steife Hierarchiebegriffe, und scheut sich nicht, auch mal privat zu werden. Mit pointiertem Humor, charmanten Floskeln und betont informellem Verhalten („Du weißt ja, bei mir läuft das anders“) schafft er ein Klima scheinbarer Vertrautheit. Dabei wirkt er geduldig, verständnisvoll, manchmal fast väterlich oder freundschaftlich. Mitarbeitende fühlen sich auf Augenhöhe – zumindest zunächst.
- Verdeckte Absichten: Freundlichkeit als Kontrollstrategie
Was zunächst wie echter Teamgeist wirkt, dient bei näherer Betrachtung oft einem ganz anderen Zweck. Denn der „sympathische Chef“ weiß: Wer ihn mag, stellt weniger in Frage. Seine Beliebtheit ist sein Schutzschild – und sein Werkzeug.
Er sammelt Informationen im Plauderton: Wer hat gerade familiäre Probleme? Wer fühlt sich unsicher? Wer hängt besonders an seinem Job? Solche Details werden nicht vergessen. Im Gegenteil: Sie werden aufgespart – und gezielt eingesetzt, wenn es nützlich ist. Etwa bei Leistungsgesprächen, in Krisen oder beim Verteilen von (Un-)Gunst.
Mitarbeitende, die sich „bewährt“ haben, bekommen zunächst scheinbar viele Freiheiten. Doch auch das ist Teil der Kontrolle: Wer profitiert hat, ist emotional gebunden – durch Dankbarkeit, Loyalität oder Angst, wieder alles zu verlieren.
- Manipulationsmechanismen: Freundlichkeit mit Fallstricken
Die Methoden dieses Chef-Typs sind leise, aber wirksam:
- Humor als Waffe: Kritische Rückfragen oder Beschwerden werden mit einem Lächeln weggelacht – „War doch nur ein Scherz!“ So wird Kritik entwertet, ohne offen aggressiv zu sein. Wer sich trotzdem wehrt, wirkt humorlos oder empfindlich.
- Gaslighting light: Gefühle der Mitarbeitenden werden relativiert. Aussagen wie „Ich dachte, du bist belastbarer“ oder „Das ist doch nichts, worüber du dich aufregen musst“ säen Zweifel – nicht nur am Anliegen, sondern an der eigenen Wahrnehmung.
- Emotionaler Kredit: Wer einmal vom Chef gelobt, bevorzugt oder gefördert wurde, traut sich später oft nicht mehr, Nein zu sagen. Dankbarkeit wird zur stillen Verpflichtung, zum Hebel gegen Widerstand.
- Scheinempathie: Der Chef zeigt Verständnis – aber nur so lange, wie es seine Autorität nicht in Frage stellt. Seine Fürsorge ist zweckgebunden: Sie gilt dem reibungslosen Ablauf, nicht dem Wohl der Person.
- Reaktionen auf Widerstand: Sanktionen mit Samthandschuhen
Wer beginnt, das Spiel zu durchschauen oder gar kritische Fragen stellt, erlebt eine spürbare Veränderung – meist ohne offene Konfrontation. Der „lockere“ Chef bestraft nicht laut, sondern leise:
- Unauffällige Strafen: Betroffene werden bei Projekten übergangen, erhalten weniger Informationen oder verlieren Einfluss. Nichts ist nachweisbar – aber alles ist spürbar.
- Isolationstaktik: Kritische Stimmen werden subtil in Frage gestellt – nicht durch direkte Anschuldigungen, sondern durch Zweifel: „Ist XY wirklich noch im Teamgedanken unterwegs?“ oder: „Mir scheint, er/sie hat gerade eine schwierige Phase.“
- Imagepflege: Nach außen bleibt der Chef freundlich, beliebt und engagiert. Kritik prallt ab, weil niemand sie dem netten Kerl zutraut. Für Betroffene entsteht ein Gefühl der Ohnmacht – man zweifelt irgendwann an sich selbst.
- Innere Struktur: Kontrolle hinter der Maske
Hinter diesem Verhalten steht keine bösartige Absicht im klassischen Sinne – sondern eine tief verankerte Mischung aus Kontrollbedürfnis und Selbstschutz:
- Kontrollsucht: Lockerheit ist nur erlaubt, solange sie steuerbar bleibt. Abweichungen vom gewünschten Verhalten werden sanktioniert, oft unter dem Deckmantel von „Verantwortung“ oder „Teamhygiene“.
- Egozentrik mit sozialer Tarnung: Es geht selten um das Team, oft um das Selbstbild. Der Chef will nicht nur führen – er will dafür gemocht werden. Anerkennung für seine „Menschlichkeit“ ist ihm genauso wichtig wie Anerkennung für Leistung.
- Tiefes Misstrauen: Vertrauen wird gewährt, aber nie geschenkt. Jeder Gefallen, jede Freiheit hat einen Preis. Beziehungen werden bewertet, nicht gelebt.
Die unsichtbare Autorität
Der „lockere“ Chef mit doppeltem Boden ist schwer zu erkennen – und noch schwerer zu entlarven. Denn seine Macht basiert nicht auf Zwang, sondern auf psychologischer Raffinesse. Er macht sich beliebt, um unangreifbar zu sein. Er hört zu, um Informationen zu sammeln. Und er wirkt offen, um sich gegen Kritik zu immunisieren.
Doch wer genau hinschaut, merkt: Hinter der Fassade aus Witz und Wärme regiert ein unsichtbares System aus Kontrolle, Kalkül und Machtsicherung – ein System, das nur funktioniert, solange niemand es beim Namen nennt.
Wenn ein Mitarbeiter einen persönlichen Wunsch oder Gefallen ablehnt, offenbart sich schnell, ob das Verhältnis tatsächlich auf gegenseitigem Respekt beruht – oder ob die vorherige „Nähe“ nur Mittel zum Zweck war.
- Verletztes Ego – die „freundliche“ Fassade bekommt erste Risse
Da der Chef seine Position und sein Charisma oft mit persönlicher Loyalität gleichsetzt, wird eine Ablehnung nicht einfach als sachliche Entscheidung verstanden. Sie kratzt an seinem Selbstbild – besonders, wenn er sich in der Rolle des „verständnisvollen, lockeren Vorgesetzten“ sieht, der angeblich „nur mal nett gefragt“ hat.
Typische innere Reaktion: „Wie kann er mir das abschlagen – nach allem, was ich für ihn getan habe?“
- Subtile Repressalien statt direkter Strafe
Weil der Chef seine Macht nicht offen missbrauchen will (das würde seinem Image widersprechen), erfolgt die Reaktion verdeckt:
- Abkühlung der Beziehung: Der Ton wird sachlicher, distanzierter. Der „Kumpelmodus“ wird zurückgenommen. Small Talk fällt weg.
- Benachteiligung bei Entscheidungen: Der Mitarbeiter wird nicht mehr zu informellen Gesprächen eingeladen oder bei spannenden Projekten übergangen.
- Mikrosanktionen: Deadlines werden plötzlich enger gesetzt, Rückfragen schärfer formuliert, Leistungen weniger gelobt.
- Emotionale Manipulation – Schuldgefühle erzeugen
Oft versucht der Chef, den Mitarbeiter indirekt unter Druck zu setzen – mit Sätzen wie:
- „Na gut, wenn du meinst, das nicht machen zu müssen …“
- „Ich dachte, wir hätten ein gutes Vertrauensverhältnis.“
- „Schon interessant, dass du gerade jetzt nicht helfen willst.“
Das Ziel ist, den Mitarbeiter emotional weichzukochen, ohne offen Druck zu machen. Die Ablehnung soll als Illoyalität erscheinen – nicht als legitimes „Nein“.
- Umdeuten der Ablehnung – Rufschädigung im Kleinen
In der nächsten Phase beginnt oft eine gezielte Neuinterpretation der Beziehung gegenüber Dritten. Der Chef stellt den Mitarbeiter als schwierig, unkooperativ oder nicht teamorientiert dar – subtil und in Nebensätzen:
- „Manche hier sind leider nicht so belastbar, wie ich dachte.“
- „Ich wünsche mir manchmal mehr Mitdenken und Flexibilität.“
Diese Bemerkungen treffen nie frontal – aber sie streuen Zweifel. Der Mitarbeiter wird langsam aus dem inneren Kreis geschoben.
- Langfristiger Vertrauensbruch – die Beziehung ist „vergiftet“
Ist die Ablehnung einmal erfolgt, gilt der Mitarbeiter häufig als „unzuverlässig“ im System des Chefs – nicht in Bezug auf die Arbeit, sondern auf persönliche Gefolgschaft. Vertrauen, im Sinne von Loyalität, ist gebrochen. Selbst wenn er weiterhin gute Leistungen bringt, bleibt ein Misstrauen bestehen: „Der funktioniert nur, solange es ihm passt.“
Ein „Nein“ offenbart die Unfreiheit
Ein verständnisvoller Chef akzeptiert ein „Nein“ als Ausdruck von Respekt und gegenseitiger Achtung, wenn er von einem Mitarbeitenden um einen private, persönlichen Gefallen bittet. Ein Mensch, der jedoch manipulativ agiert, sieht ein „Nein“ nicht nur als Ablehnung, sondern als persönlichen Affront. Es hinterfragt seine Vorstellung von emotionaler Verfügbarkeit und Gefolgschaft. Genau hier zeigt sich der vermeintlich lockere Umgang als Abhängigkeitsbeziehung: Er funktioniert nur, solange die Gefälligkeiten aufrechterhalten werden. Wer sich verweigert, wird nicht als selbstbestimmte Person respektiert, sondern als störend für das Gleichgewicht eines Systems, das auf psychologischer Kontrolle basiert.
Gehaltsverhandlung
Ein Chef mit der beschriebenen freundlich-manipulativen Persönlichkeit reagiert auf eine Gehaltsverhandlung, bei der sich ein Mitarbeiter selbstbewusst auf seine Leistungen und die positiven Rückmeldungen des Chefs beruft, in der Regel abwehrend, taktierend und psychologisch raffiniert – ohne sich dabei die „nette“ Fassade nehmen zu lassen.
🔹 1. Überraschung und psychologische Verlagerung: "Ach – jetzt willst du mehr?"
Obwohl der Mitarbeiter völlig berechtigt argumentiert, fühlt sich der Chef überrumpelt. Denn aus seiner Sicht hat er durch Lob oder symbolische Gesten („Vertrauen“, „Freiraum“, „Verantwortung“) bereits investiert – und erwartet dafür Loyalität, nicht Forderungen.
Typische Reaktion:
„Klar, du machst einen tollen Job – das hab ich dir ja auch schon oft gesagt. Aber Geld ist da nur ein Teil der Gleichung, du weißt doch, wie sehr ich deine Arbeit schätze.“
Er lenkt damit um: Statt die materielle Leistung anzuerkennen, wechselt er auf eine emotionale, symbolische Ebene – wo er das Machtmonopol hat.
🔹 2. Freundlich getarnte Ablehnung: "Du weißt ja, die Zeiten sind schwierig…"
Der Chef wird selten direkt Nein sagen. Stattdessen kommt eine Mischung aus Verständnis und Ausflüchten:
- „Du hast das absolut verdient – aber im Moment ist das leider schwer durchzusetzen.“
- „Ich kämpfe ja auch für euch, aber die Entscheidung liegt nicht nur bei mir.“
- „Lass uns das im nächsten Quartal nochmal anschauen – wenn die Zahlen stimmen.“
Das klingt partnerschaftlich, dient aber in Wirklichkeit der Hinhaltetaktik. Der Mitarbeiter soll sich wertgeschätzt fühlen, aber gleichzeitig vertröstet werden – auf einen Zeitpunkt, der nie konkret wird.
🔹 3. Subtile Schuldumkehr: "Warum geht's dir jetzt ums Geld?"
Sobald der Mitarbeiter auf seinem Anliegen beharrt, schwingt in der Reaktion des Chefs oft unterschwellig Enttäuschung oder moralischer Vorwurf mit:
- „Ich dachte, dir geht’s um Verantwortung, nicht ums Geld.“
- „Jetzt, wo es mal gut läuft, kommst du damit – das überrascht mich ehrlich gesagt.“
Der Chef versucht, das Anliegen umzudeuten – vom berechtigten Anspruch zur Charakterschwäche. Damit stellt er Loyalität in Frage und untergräbt die emotionale Sicherheit des Mitarbeiters: „Bin ich jetzt gierig? Undankbar?“
🔹 4. Versuch der Umkehrung: „Du bekommst doch schon so viel.“
Ein weiterer Mechanismus: Relativierung des Gehalts durch Betonung immaterieller Vorteile – besonders bei Mitarbeitenden, die viel leisten, aber emotional involviert sind.
- „Du genießt bei uns ein enormes Vertrauen.“
- „Schau dir an, wie viel Entscheidungsspielraum du hast – das hat nicht jeder.“
- „Andere arbeiten länger für weniger – und beschweren sich nicht.“
Das Ziel: Die Forderung wird als unangemessen dargestellt, ohne offen zu widersprechen. Der Mitarbeiter soll das Gefühl bekommen, bereits privilegiert zu sein – und damit seine Position stillschweigend rechtfertigen.
🔹 5. Wenn der Mitarbeiter nicht locker lässt: Eskalation im Tarnmodus
Wenn der Mitarbeiter sachlich bleibt und weiter nachhakt, kann der Chef innerlich wütend reagieren – ohne das offen zu zeigen. Er wird möglicherweise:
- Entscheidungen verzögern, etwa durch „Nachfragen bei der Geschäftsleitung“.
- Den Ruf des Mitarbeiters anzweifeln („Er ist gerade sehr auf sich fixiert“).
- Verdeckte Nachteile streuen, z. B. durch Reduktion von Sichtbarkeit oder Einfluss („Mal schauen, wie loyal er wirklich ist“).
Langfristig kann das zur stillen Abstrafung führen: Weniger Lob, weniger Vertrauen, keine Weiterentwicklung – und möglicherweise ein langsamer Abstieg aus dem inneren Kreis.
🔚 Belohnung ist kein Recht – sondern ein Gnadenakt
Für diesen Chef-Typ ist Anerkennung nicht objektiv verhandelbar, sondern ein Machtinstrument. Wer zu selbstbewusst auftritt, verlässt die vorgesehene Rolle: nicht mehr „der Loyalist“, sondern jemand, der Ansprüche stellt – das stört das Machtgefüge.
Statt klare, faire Strukturen zu schaffen, hält er sein Team mit emotionaler Belohnung in der Schwebe. Eine Gehaltsforderung ist in diesem System kein legitimes Anliegen – sondern ein Zeichen potenzieller Illoyalität.
Und der Umgang mit ihren eigenen Chefs?
Solche Chefs sind nicht nur im Umgang mit ihren Mitarbeitenden strategisch, sondern noch viel strategischer im Umgang mit ihren eigenen Vorgesetzten oder Entscheidungsträgern. Der „lockere“ Chef mit manipulativer Tiefe ist in Wahrheit ein Netzwerker mit doppeltem Spiel – charmant nach oben, kontrollierend nach unten.
🔹 1. Nach oben: Das perfekte Image spielen
Solche Chefs wissen, wie wichtig Wirkung nach oben ist – deshalb investieren sie gezielt in ihr Außenbild. Sie treten gegenüber ihren Vorgesetzten oft als:
- kompetent und lösungsorientiert auf, ohne dabei aufdringlich zu wirken,
- teamorientiert und kollegial, indem sie betonen, wie sehr sie „ihr Team fördern“,
- loyal und konstruktiv, mit strategisch gewählten Gelegenheiten, sich mit Erfolgen zu zeigen – ohne anzuecken.
Sie liefern Ergebnisse – oder zumindest die richtigen Narrative. Und sie tun es mit Charme, Witz und scheinbarer Bescheidenheit. So werden sie als angenehm, durchsetzungsstark und „verlässlich im Sinne des Unternehmens“ wahrgenommen.
Tatsächliche Mitarbeiterzufriedenheit oder ethisches Führungsverhalten sind dabei zweitrangig – Hauptsache, das Bild nach oben stimmt.
🔹 2. Der Aufbau eines persönlichen Macht-Netzwerks
Diese Chef-Typen verstehen es meisterhaft, sich strategisch mit einflussreichen Personen zu verbinden:
- Sie pflegen selektive Beziehungen: nicht mit allen, aber mit den richtigen.
- Sie sammeln informelle Macht, indem sie Informationen teilen – oder bewusst zurückhalten.
- Sie sind oft "Übermittler" positiver Botschaften von unten nach oben – aber auch Filter, wenn es um Kritik oder Probleme im Team geht.
So entsteht ein einseitiges Bild, in dem sie als Mittler oder „Problemlöser“ erscheinen – während kritische Stimmen aus dem Team verschwinden oder als Einzelfälle dargestellt werden.
🔹 3. Gegenseitige Absicherung durch Loyalität
Oft suchen solche Chefs gezielt Nähe zu höheren Führungsebenen, indem sie:
- Vertraulichkeit inszenieren („Ich sag das nur Ihnen offen…“),
- Probleme elegant lösen, die andere vermeiden,
- oder bereitwillig unangenehme Aufgaben übernehmen, um sich als „verlässlich“ zu profilieren.
Dadurch sichern sie sich einen Vertrauensvorsprung, der es schwierig macht, sie später kritisch zu hinterfragen. Denn Vorgesetzte haben das Gefühl, mit diesem Typ Chef jemanden auf ihrer Seite zu haben – eine gefährliche Illusion.
🔹 4. Abschottung nach unten: Kritik wird neutralisiert
Weil das System dieser Chefs stark auf Wahrnehmungsmanagement basiert, ist Kritik aus dem Team eine Bedrohung. Deshalb wird sie aktiv bekämpft:
- durch das Delegitimieren der Kritiker („Sie ist gerade in einer schwierigen Phase“, „Er ist halt sehr emotional“),
- durch das Isolieren unbequemer Stimmen,
- und durch das Bauen einer „Fassade der Harmonie“, die jede Irritation als Ausnahme darstellt.
Gleichzeitig werden einzelne loyale Mitarbeitende gezielt eingebunden, um intern ein Bild von Loyalität und Zufriedenheit aufrechtzuerhalten – eine Art innerbetrieblicher Propagandaeffekt.
🔹 5. Langfristiges Ziel: Absicherung der eigenen Position
Solche Chefs denken nicht kurzfristig. Sie streben an:
- Unersetzbarkeit: Sie bauen sich so auf, dass man sich fragt: „Wie soll es ohne ihn funktionieren?“
- Schutz durch Loyalitäten: Durch Netzwerke, die ihnen später nutzen – sei es bei Beförderungen, in Krisensituationen oder als „Fürsprecher“.
- Unangreifbarkeit: Indem sie emotional beliebt, organisatorisch nützlich und rhetorisch geschickt auftreten.
So entsteht eine Machtstruktur, die nach außen modern und menschlich wirkt, intern aber auf Kontrolle, Angst, strategischer Beziehungspflege und Manipulation beruht.
Doppelte Inszenierung – charmant nach oben, kontrollierend nach unten
Solche Chefs spielen auf zwei Bühnen gleichzeitig:
- Oben geben sie den loyalen, witzigen, verantwortungsbewussten Leistungsträger.
- Unten agieren sie als geschickte Lenker, die mit Lob, Nähe und subtiler Strafe steuern – ganz im Dienste ihrer eigenen Interessen.
Und solange die obere Führungsebene nur auf Ergebnisse und Image schaut, bleibt dieses Verhalten oft lange unbemerkt oder sogar belohnt.
Für sich selbst holen sie das Maximum heraus, während sie bei den Anliegen ihrer Mitarbeitenden passiv, abwartend oder sogar blockierend agieren.
Das ist kein Zufall – sondern Teil ihres strategischen Selbstmanagements.
🔹 1. Eigenes Interesse wird geschickt als „Loyalität zur Firma“ verkauft
Ein solcher Chef fordert für sich nicht direkt mit dem Argument: „Ich will mehr Geld.“
Stattdessen inszeniert er seine Forderung als wohlverdiente Investition der Firma in eine Schlüsselperson:
- „Ich übernehme Verantwortung über das Maß hinaus.“
- „Ich halte hier das Team stabil.“
- „Die Ergebnisse sprechen für sich – und ich tue es nicht für mich, sondern fürs Unternehmen.“
Sein eigenes Gehaltsplus verkauft er als „logische Folge“ seiner Loyalität, Führungsstärke und Problemelastizität.
Er wirkt nicht gierig – sondern unverzichtbar.
🔹 2. Er pflegt die richtigen Beziehungen – und nutzt sie im richtigen Moment
Ein solcher Chef investiert nicht in Gerechtigkeit für alle, sondern in Netzwerke, die ihm nützen.
Wenn er für sich selbst verhandelt, hat er bereits:
- gute Zahlen in Szene gesetzt (auch wenn sie vom Team erarbeitet wurden),
- Verbündete gewonnen, die ihm intern wohlgesonnen sind,
- kritische Stimmen neutralisiert oder von sich weggeleitet.
Er hat die Bühne bereitet, bevor er Forderungen stellt. Dadurch wirken sie berechtigt – selbst wenn sie im Vergleich zum Rest des Teams unangemessen sind.
🔹 3. Er verhindert Vergleiche – und kontrolliert den Informationsfluss
Transparenz ist sein Feind.
Er sorgt subtil dafür, dass niemand weiß, was er bekommt oder fordert – während Mitarbeitende ihre Anliegen offen formulieren müssen.
Gleichzeitig spricht er abwertend oder ausweichend, wenn Mitarbeitende nach Gehalt oder Entwicklung fragen:
- „Ich kämpfe ja selbst – aber aktuell geht da nichts.“
- „Ich sag dir ehrlich: Wenn ich das durchdrücken könnte, hätte ich’s schon gemacht.“
- „Du bist wertvoll – aber wir müssen auf den Gesamtkontext achten.“
So wahrt er das Image des verständnisvollen Chefs – ohne je wirklich für jemanden zu kämpfen.
🔹 4. Er schafft emotionale Abhängigkeit statt struktureller Fairness
Anstatt systemisch gerechte Rahmenbedingungen zu fördern (z. B. transparente Gehaltsstufen), setzt er auf:
- Einzelfallentscheidungen, die ihm Kontrolle geben („Ich schau mal, was ich machen kann“),
- emotionale Belohnung statt faktischer Verbesserung („Du weißt, wie sehr ich dich schätze“),
- symbolische Aufwertungen wie Titel oder Projektverantwortung – ohne echte finanzielle Besserstellung.
Mitarbeitende fühlen sich „gesehen“, aber bleiben materiell abhängig.
🔹 5. Er fördert keine Mitarbeitenden, die ihm Konkurrenz machen könnten
Ein Mitarbeiter, der selbstbewusst, sichtbar und durchsetzungsstark wird, ist für diesen Chef eine Gefahr.
Darum unterstützt er eher:
- Loyalisten, die „funktionieren“ und nicht zu laut fordern,
- Menschen, die emotional auf ihn reagieren und bestätigt werden wollen,
- Personen, die ihm nicht gefährlich werden können – weder inhaltlich noch politisch.
Wer hingegen klar formuliert: „Ich will mehr, ich verdiene mehr“, wird oft blockiert, ausgegrenzt oder vertröstet.
🔚 Egozentrisch nach oben, passiv nach unten
Ein solcher Chef kämpft nicht für das Team, sondern für sein eigenes Fortkommen – mit viel Charme und dem Anschein von Empathie.
Für seine eigenen Interessen nutzt er Netzwerke, Inszenierung, Timing und die Kunst der Darstellung.
Für die Interessen seiner Mitarbeitenden nutzt er: nichts – außer Worte.
Denn für ihn sind andere nur Mittel zum Zweck. Ihre Entwicklung, Zufriedenheit oder finanzielle Gerechtigkeit sind ihm nicht egal, aber nachrangig – solange sie nicht direkt seinem eigenen Nutzen dienen.
Fallbeispiel/Gespräch: Ein mittelgroßes Unternehmen, Marketingabteilung.
Mitarbeiter Tobias (32) ist seit 3 Jahren im Team, hat mehrere erfolgreiche Kampagnen geleitet, auch in stressigen Phasen „mitgezogen“. Der Chef, Herr Bergmann (48), gilt als „locker“, charismatisch, erzählt gern Geschichten, macht oft Witze, nennt Mitarbeitende beim Vornamen und betont: „Hier zählt der Mensch, nicht nur die Zahl.“
Vorgeschichte
In den letzten Monaten hat Tobias mehrfach Überstunden gemacht, Projekte auf Kurs gebracht, mehrfach von Bergmann Sätze gehört wie:
„Tobias, auf dich kann ich mich verlassen – du hast den Laden zusammengehalten.“
„Das war wirklich stark, wie du das Projekt gezogen hast. Ehrlich.“
Tobias fühlt sich anerkannt, sicher – und beschließt, ein Gespräch über eine Gehaltserhöhung zu führen.
Das Gespräch
Tobias:
„Ich wollte heute das Gespräch nutzen, um auch mal über meine Entwicklung zu sprechen – vor allem finanziell. Ich hab in den letzten Monaten viel Verantwortung übernommen und denke, es wäre fair, auch in der Vergütung einen Schritt weiterzugehen.“
Herr Bergmann (lächelt, lehnt sich zurück):
„Ah – da will jemand nach oben, sehr gut!“ (lacht kurz)
„Erst mal: Ich seh das, Tobias. Ehrlich. Du machst einen super Job. Ich bin froh, dich hier zu haben.“
(Tobias nickt, fühlt sich bestätigt.)
Tobias:
„Danke. Deswegen hoffe ich, wir können da was bewegen.“
Herr Bergmann (wechselt Ton leicht, wirkt jetzt nachdenklicher):
„Ich versteh den Wunsch. Wirklich. Aber… du weißt ja auch, dass wir aktuell im Unternehmen sehr haushalten müssen. Ich hab da selbst gerade ein Projekt extra übernommen, ohne dass sich da groß was bewegt hat.“
„Aber – das zeigt mir: Du willst bleiben. Entwicklung. Verantwortung. Das find ich stark.“
Die Verschiebung
Tobias (versucht nachzuhaken):
„Gibt’s denn vielleicht die Möglichkeit, zumindest schrittweise etwas zu verändern?“
Herr Bergmann (nimmt ein ernstes Gesicht auf, aber bleibt freundlich):
„Ich sag’s dir ehrlich – ich bin da auf deiner Seite. Nur: Ich muss das im Blick mit dem großen Ganzen halten. Du weißt ja: Wenn ich bei einem was mache, schauen alle anderen auch hin. Das schaukelt sich schnell hoch.“
„Und ich will nicht, dass du plötzlich unter Druck gerätst, weißt du? Du arbeitest gerade so gut, so fokussiert – ich will das nicht mit so was belasten.“
(patzt ihn auf die Schulter)
Nachklang
Tobias verlässt das Gespräch mit einem merkwürdigen Gefühl:
- Er wurde gelobt, gelächelt, gewürdigt.
- Aber sein Anliegen wurde nicht konkret beantwortet.
- Stattdessen wurde er emotional verpflichtet: Er sei so wichtig – „jetzt bloß nichts gefährden“.
In der Teeküche hört er zwei Wochen später, dass eine Kollegin aus einem anderen Bereich eine Gehaltserhöhung bekommen hat – nach nur anderthalb Jahren.
Fazit
Der Chef bleibt charmant, „offen“, verständnisvoll – aber handelt ausschließlich zu seinem Vorteil. Er:
- vermeidet Konfrontation, um sein positives Image zu wahren,
- deutet Forderungen um in Belastungen, um Verantwortung zurückzugeben,
- hält Mitarbeitende in einer Grauzone aus Hoffnung, Schuld und emotionaler Abhängigkeit.
Prinzipien und konkrete Hinweise für deinen Umgang mit diesem Chef-Typ
🛡️ 1. Emotionale Distanz bei äußerer Freundlichkeit
Solche Chefs setzen stark auf emotionale Nähe – nicht weil sie Verbindung wollen, sondern Kontrolle.
Deshalb gilt:
✅ Sei höflich, offen, professionell – aber wahre innerlich eine klare Grenze.
Vermeide es, dich in die „Wir-sind-ein-Team“-Romantik ziehen zu lassen, wenn du spürst, dass Taten nicht zu den Worten passen.
🔸 Faustregel: Freundlichkeit ja – Vertraulichkeit mit Bedacht.
🧠 2. Trenne Lob von Wirkung
Diese Chefs sind Meister des Kompliments – aber oft ohne Substanz.
✅ Achte darauf, ob Lob zu echter Unterstützung führt (z. B. Projektchance, Budget, Gehalt).
Wenn nicht, nimm das Lob zur Kenntnis – aber baue keine Hoffnungen darauf.
🔸 Nimm Worte als Worte – nicht als Versprechen.
🧾 3. Halte Absprachen schriftlich fest
Solche Chefs arbeiten gern mit „Zwischentönen“, vagen Andeutungen, mündlichen Zusagen.
✅ Wichtig: Wichtige Absprachen immer per Mail zusammenfassen („Wie besprochen…“).
So verhinderst du, dass Inhalte im Nachhinein relativiert oder umgedeutet werden.
🔸 „Was nicht dokumentiert ist, hat nie stattgefunden“ – gilt bei solchen Chefs doppelt.
🧭 4. Kenne deine eigenen Werte und Ziele
Diese Führungspersonen versuchen oft, Mitarbeitende auf ihre Agenda einzuschwören – subtile Manipulation inklusive.
✅ Sei dir klar: Was will ich? Was ist meine berufliche Orientierung?
Halte daran fest – auch wenn der Chef dich charmant „umdeuten“ will (z. B. „Du bist ein Teamplayer – Geld ist doch nicht dein Hauptantrieb, oder?“)
🔸 Je klarer du dir über dich selbst bist, desto schwerer wirst du manipulierbar.
🧱 5. Schaffe dir externe Stabilität
Da solche Chefs Informationen kontrollieren und Kritik subtil delegitimieren, brauchst du Sicherheit außerhalb dieser Beziehung.
✅ Vernetze dich mit Kolleginnen, dem Betriebsrat, HR oder Mentorinnen – aber diskret und sachlich.
Halte regelmäßig Rücksprache, baue dir ein widerstandsfähiges Umfeld auf, das dir auch im Konfliktfall Rückendeckung gibt.
🔸 Wer nur unterhalb des Chefs vernetzt ist, bleibt angreifbar.
⏳ 6. Fordere bewusst – aber taktisch
Du darfst Forderungen stellen – aber ohne emotionale Erwartungshaltung.
✅ Bereite dich sachlich vor (Zahlen, Leistung, Vergleichswerte), formuliere klar, fasse das Ergebnis zusammen.
Wenn dein Anliegen abgewiegelt wird, notiere das – nicht als Rache, sondern als Realitätserkenntnis.
🔸 Fordern ja – aber ohne Illusionen.
⚠️ 7. Achte auf verdeckte Strafen und reagiere früh
Wenn du widersprichst oder dich abgrenzt, kann es zu subtilen Sanktionen kommen (Ausschluss, Projektentzug, Desinteresse).
✅ Nimm das nicht persönlich, sondern analysiere es nüchtern. Sprich es sachlich an – oder dokumentiere es, ohne in Konfrontation zu gehen.
🔸 Nicht alles sofort eskalieren – aber alles wach beobachten.
🧨 8. Zieh im Zweifel deine Konsequenzen
Wenn du langfristig feststellst, dass dieser Chef dich blockiert, benutzt oder dein Selbstwert leidet, dann:
✅ Ziehe Grenzen. Prüfe Alternativen. Sprich mit HR oder erwäge den Wechsel.
Manchmal ist der klügste Umgang mit toxischer Führung: nicht bleiben.
🔸 Loyalität ist keine Einbahnstraße.
🔚 Fazit
In der Arbeit mit einem solchen Chef brauchst du eine Mischung aus:
- Klarheit (über dich selbst und deine Ziele),
- Dokumentation (um Grauzonen zu entlarven),
- Taktik (um Forderungen wirksam zu platzieren)
- und emotionaler Souveränität.
Du kannst mit ihm arbeiten – aber nicht auf Basis von Vertrauen. Sondern auf Basis von kluger Eigenführung.